Erschienen in: Biologische Studien. - Luckau 22 (1993), S. 41 - 45.


Feststellungen zum Alter der Dünen im mittleren Baruther Urstromtal mit Hilfe der Pollenanalyse und anderer relativer Datierungsmethoden


Von Wierd Mathijs de Boer


1. Einleitung


Altersbestimmungen zu den jeweiligen dünenbildenden Phasen habe ich in meiner 1992 an der Humboldt-Universität zu Berlin erschienenen Promotionsarbeit vorgenommen. Nur eine Kombination von verschiedenen Datierungsmethoden und Quellen kann zu sinnvollen Aussagen führen. Dazu gehören die relative Positionierung, Feststellungen zur Art der Bodenbildung(en), archäologische Funde, Pollenanalysen sowie Karten- und Literaturstudien. Durch Datierungen mit den Radiokarbon-(14C-) und Thermolumineszenz (= TL-)verfahren wurden obengenannte Methoden ergänzt. Da die Datierungsmethoden zwar oft erwähnt, jedoch wenig grundsätzlich erklärt werden, möchte ich an dieser Stelle die genannten Methoden (außer 14C- und TL-Methoden) etwas erläutern und an Hand einiger Beispiele darstellen.


2. Datierungsmethoden in der Binnendünenforschung


2.1 . Allgemein

Datierung an Binnendünen sind möglich über drei Wege:

A. Historische Quellen (Schriften und Karten)

B. Naturwissenschaftliche Verfahren der Datierung

B.1. Indirekte Datierung (z. B. 14C-Messungen und Pollenanalysen an, unter oder

über Flugsand liegenden Torfschichten)

B.2. Direkte Datierung (z. B. TL an Flugsandschichten)

Zu den indirekten und direkten Datierungen gehören absolute und relative

Datierungsmethoden (siehe Fig. 1).



Fig. 1: Art der Datierungsmethoden für äolische Ablagerungen



Relativ

Absolut“

Indirekt

Archäologie

Bodenbildung(en)

Fossilien in Binnenwassermergeln

Pollenanalysen


Radiokarbon (= 14C)

Direkt

Archäologie

Korngrößenanalysen (z. B. bei Sandlöß-schichten bekannten Alters)

Relative Positionierung


Thermolumineszenz (TL)


Bei absoluten Datierungsmethoden wird ein „absoIutes“ Alter in Jahren angegeben; bei relativen Datierungsmethoden werden zeitliche Beziehungen angegeben: „älter als…“, „jünger als…“ oder „gIeichaltrig“. In den Biologischen Studien, Heft 19 (Beitrag DE BOER, 1990) wird auf die historischen Quellen eingegangen. Zum Punkt B.2. wird eine Publikation vorbereitet. lm folgenden möchte ich daher nur auf den Punkt B.1. eingehen.


3. Naturwissenschaftliche Verfahren für indirekte Datierungen


3.1. Einführung

Die relative Position der Binnendünen im mittleren Baruther Urstromtal - sowohl auf der Älteren als auch auf der Jüngeren Terrasse (Benennung der Terrassen nach MARCINEK 1961) - zeigt, daß die Dünen nicht älter als der Anfang der Urstromtalterrassenbildung sein können (s. auch Biologische Studien, Heft 21, Beitrag DE BOER 1992b).

Für die Rekonstruktion äolischer Phasen im Weichselspätglazial und im Holozän spielen begrabene Böden eine wichtige Rolle. Begrabene Böden stellen eine untere Altersbegrenzung für die darüber liegenden (Flug-)Sande und eine obere Altersbegrenzung für die darunter liegenden (Flug-)Sande dar. Eine Altersbegrenzung ist aber nur möglich, wenn der begrabene Boden oder die begrabenen Böden datiert werden können. Zur Datierung können u. a. beitragen: datierbare Reste der materiellen Kultur (Archäologie), Bodentyp, ausreichend gut erhaltene Pollen (PolIenanaIyse), fossilrestführende Binnenwasserkalke oder -mergel.


Fig. 2: Profil Paplitz (Dünenrest zwischen Paplitz und Baruth)

3.2. Archäologie


In vielen begrabenen Böden im Urstromtal sind Scherben und Feuersteinabschläge anzutreffen. Beispielsweise wurden im Profil Paplitz (zwischen Paplitz und Baruth) bronzezeitliche Scherben („lederbraune Ware“) oberhalb der Wiesenkalkschicht gefunden (s. Fig. 2).


3.3. Bodentyp


Es sind immer mehrere Faktoren für die Ausbildung eines Bodenprofils entscheidend. Zeit ist nur ein Faktor in einem Komplex von Faktoren; deshalb liefert diese Methode nur grobe Hinweise zur Datierung der begrabenen Böden. Die Ergebnisse der Bodendatierungen im Rahmen meiner Arbeit im Baruther Urstromtal bestätigen: Braunerden haben im wesentlichen ein weichselspätglaziales Alter. Podsole können sich seit dem Weichselhochglazial entwickelt haben, und Ranker sind bis zu einigen Jahrtausenden alt.


3.4. Pollenanalysen


Pollenanalysen sind theoretisch möglich:

a) von Proben aus begrabenen Böden und Binnenwassermergeln und

b) von Proben aus überwehten Torfschichten.

ad a) Diese Methode wurde in einer Reihe vor Arbeiten mit Erfolg angewandt, beispielsweise in MÜLLER, KOPP & KOHL (1971) und DE BOER (1992a). Allerdings stößt sie bei begrabenen Böden wegen selektiver Erhaltung durch selektive Pollenkorrosion infolge Durchlüftung und Pollenverlagerung in den durchlässigen Dünensanden auf Kritik. Je feuchter die untersuchten Böden sind, desto höher ist die Chance, daß die Pollen relativ gut erhalten geblieben sind.

ad b) Pollenanalysen von überwehten Torfschichten sind dagegen viel besser durchzuführen. Sie sind außerdem viel aussagekräftiger, vor allem in Kombination mit 14C-Analysen.


Ein Beispiel einer Auszählung einer Probe aus dem Profil Paplitz wird in Fig. 3 tabellarisch dargestellt. Die Gesamtzahl der gezählten Pollen aus nur einer Probe lassen eine graphische Darstellung mit Hilfe eines Pollendiagrammes nicht sinnvoll erscheinen; es ist nur ein Spektrum vorhanden, kein vollständiges Profil. Wie WOLLENBERG (1975) schon bemerkte, wären weitere Pollenanalysen im Urstromtal wünschenswert.


Aus Fig. 3 ist zu entnehmen, daß eine relativ große Zahl von Betula(Birken)- und Pinus(Kiefern)-Pollen - wobei Betula vorherrscht - vorkommt. Pollen von Wildgräsern, Cyperaceae (u. a. Seggen) und verschiedenartige Sporen (u. a. Equisetum = Schachtelhalm) kommen relativ häufig vor. Artemisia deutet auf Offenlandverhältnisse hin.


Der bisherige Befund deutet in die Richtung einer bölling-, alleröd- oder präboreal-zeitlichen Vegetation. Dabei ist Alleröd (PoIlenzone ll nach FIRBAS 1949/52) am wahrscheinlichsten wegen des Pinus/Betula-Verhältnisses, der vielen Betula humilis-Pollen (kälteverträglicher Strauch) und der geringen Zahl typischer Präboreal-Vertreter wie Juniperus (Wacholder). Außerdem ist ein Grundwasseranstieg im Laufe des Alleröds (ung. 11.200 Jahre vor heute) aus der Literatur bekannt, wodurch sich das Torfband (als Produkt eines KIeinseggen-Braunmoos-Moores) ausbilden konnte.


Fig. 3: Ergebnisse einer Pollenanalyse zum Profil Paplitz

Probe aus dem Torfband (s. Fig. 2).



Baumpollen (BP=AP)


Anzahl


%


Nichtbaumpollen (NBP=NAP)

(auf die Gesamtheit der Baumpollen=100% bezogen)


Anzahl


%


50

100


124

248







Pinus (Kiefer)

16

32,0

Wildgräser

6

12,0

Picea (Fichte)

2

4,0

Kulturgräser (nicht näher bestimmbar)

--

--

Fagus (F.sylv.=Rot-Buche)

--

--

Cyperaceae (Riedgräser)

104

208

Carpinus (C.betulus=Hain-

oder Weißbuche

--

--

Calluna vulgaris (Heidekraut)

--

--

Quercus (Eiche)

--

--

Ericaceae (sonstige Heidekrautgewächse)

2

4,0

Tilia (Linde)

--

--




Ulmus (Ulme)

--

--




Fraxinus (Esche)

--

--

Artemisia (u. a. Beifuß)

4

8,0

Betula (Birke), wobei Betula humilis (niedrige Birke)

27

(10)

54,0

(20)




Alnus (Erle)

--

--




Salix (Weide)

5

10,0




Corylus (Haselstrauch)

--

--




Myrica gale (Gagel)

--

--




Juniperus (Wacholder)


4


8,0


Thalictrum (Wiesenraute)

1

2,0




Anzahl


%

cf. Filipendula (Mädesüß)

1

2,0

Sporen (auf die Gesamtheit der Baumpollen = 100% bezogen)

130

260




Sphagnum (Torfmoos)

--

--

Varia


6


12,0


Braunmoose (Laubmoose)

120

240,0




Anzahl


%

Polypodiaceae (Farne)

3

6,0

Wasserpflanzen

--

--

Equisetum (Schachtelhalm)

7

14,0

Characeae (Armleuchtergewächse)

--

--




Pediastrum (Algenart)

--

--









3.5. Binnenwasserkalke und -mergeI


Das Profil Paplitz enthält auch ein sog. „Wiesenkalknest“. Binnenwasserkalke und -mergel sind sowohl für eine zeitliche Einordnung der in der Regel in ihnen enthaltenen Fossilreste geeignet, als auch (bedingt) für eine Beprobung mit der 14C-Methode (HILLER & FUHRMANN 1991). Die Entstehung dieses Sediments fällt, auch im Baruther Urstromtal, nach MAUDREI (1968) ins Holozän. Die Möglichkeit einer Datierung mittels 14C und vielfach auch mit Hilfe von Fossilien besteht auch bei Binnenwassermergeln mit deutlich < 90% CaCO3. Diese konnten jedoch schon im Hoch- und Spätglazial der Weichselkaltzeit entstehen.


4. Aus dem Profil Paplitz ableitbare äolische Phasen


Das Profil Paplitz deutet auf mindestens drei Phasen äolischer Aktivität hin:

1. eine Phase vor dem Entstehen des Torfbandes,

2. eine Phase zwischen dem Entstehen des Torfbandes und der Erstanlage des

Binnenwassermergelvorkommens und

3. eine Phase nach dem Abschluß der Bildung des Binnenwassermergel-

vorkommens. Die bronzezeitlichen Scherben im oberen Teil des Profils bilden

eine obere Altersbegrenzung für diese Phase.

Auffallend ist, daß die äolischen Schichten - also unter trockenen Bedingungen abgelagert - mit Schichten, die unter hydromorphen (= nassen) Bedingungen geformt worden sind, wechseln.


5. Ausblick


An Hand des Profils Paplitz und vieler sonstiger Profile und Datierungsmethoden erarbeitete ich verschiedene Phasen von stärkerer und schwächerer äolischer Tätigkeit. Eine zusammenfassende Tabelle kann aus Platzgründen leider nicht in diesem Beitrag erscheinen.

Übrigens soll mit einer Schülergruppe am Profil Paplitz im Mai 1993 noch weiter gearbeitet werden, an Hand von Kartierungen, Bohrungen und Scherbensuche. Ich möchte abschließend weitere Forschungen am Profil Paplitz vorschlagen. Und zwar: Datierungen der Torfschicht und der Wiesenkalkschicht im Profil Paplitz mittels mehrerer 14C-Datierungen (sowohl an der Basis als auch an der Oberfläche der Schichten) und mittels mehrerer Pollen- und Fossilienanalysen. Ein solches datiertes Profil könnte als Standardprofil für die von Torf und/oder Wiesenkalk über- oder unterlagerten Dünenprofile im Urstromtal dienen, wie z. B. bei Schöbendorf und Horstwalde.


Literatur:

DE BOER, W. M. (1990): Dünen im Baruther Urstromtal (Raum Luckenwalde - Baruth - Lübben - Stand der Forschungsliteratur. Biologische Studien, Luckau 19: S. 3 - 10.

DE BOER, W. M. (1992a): Äolische Prozesse und Landschaftsformen im mittleren Baruther Urstromtal seit dem Hochglazial der Weichselkaltzeit. Berlin, Humboldt-Universität, Dissertation, 144 S.

DE BOER, W. M. (1992b): Form und Verbreitung der Dünen im Gebiet zwischen Luckenwalde und Golßen (Niederlausitz). Biologische Studien, Luckau 21: S. 5 - 9.

FIRBAS, F. (1949): Spät- und nacheiszeitliche Waldgeschichte Mitteleuropas nördlich der Alpen. Band 1: Allgemeine Waldgeschichte. Jena, 480 S.

FIRBAS, F. (1952): Spät- und nacheiszeitliche Waldgeschichte Mitteleuropas nördlich der Alpen. Band 2: Waldgeschichte der einzelnen Landschaften. Jena, S. 183 - 201.

HILLER, A. & FUHRMANN, R. (1991): Radiokarbondatierungen an koexistenten Kohlenstoffträgern aus Binnenwasserkalkvorkommen Sachsens und Thüringens. Zeitschrift für geologische Wissenschaften. Berlin, 19, Heft 5, S. 569 - 584.

MARCINEK, J. (1961): Über die Entwicklung des Baruther Urstromtales Zwischen Neiße und Fiener Bruch. Ein Beitrag zur Urstromtaltheorie. Wiss. Zeitschr. der HumboIdt—Universität zu Berlin, Math-Nat. Reihe 10, Heft 1, S. 13 - 46.

MAUDREI, F. (1968): Geomorphologische, stratigraphische und paläogeographische Untersuchungen im Pleistozän des Niederen Fläming. Berlin, Humboldt-Universität, Dissertation, 82 S.

MÜLLER, H. & KOPP, D. & KOHL, G. (1971): Pollenanalytische Untersuchungen zur Altersbestimmung von Humusauflagen einiger Bodenprofile im subkontinentalen Tieflandgebiet der DDR. Petermanns Geografische Mitteilungen, Gotha, 115, S. 25 - 36.

TOPOGRAPHISCHE KARTE (Ausgabe für die Volkswirtschaft) 1 :10.000, Blätter: Paplitz (0908-442) und Baruth (0908-331).

TOPOGROPHISCHE MESSTISCHBLÄTTER 1:25.000, Blätter: Paplitz (3946) und Baruth (3947).

WOLLENBERG, K.-H. (1975): Auszug aus einem Gutachten zum geplanten NSG Schöbendorfer Busch. Manuskript im Umweltbundesamt Brandenburg in Potsdam, 4 S.

W.M. de Boer (1993): Feststellungen zum Alter der Dünen … 45