Paläowindrichtungen in Brandenburg - Feststellungen anhand geologischer und geomorphologischer Daten

Von Wierd Mathijs de Boer

Erschienen in: Biologische Studien 25, Luckau (1996), S. 29 – 32.

Titelseite


Text zum Außentitel:

"Lebensraum Gewässer"

Das vorliegende Heft 25 der "Biologischen Studien" ist vorrangig drei Themenschwerpunkten gewidmet: Landschaftspflege, Naturschutz und Braunkohlenbergbau. Verdeutlicht wird insbesondere, welch hoher Rang dem Faktor Wasser sowohl in naturnahen als auch in den durch den Bergbau völlig umgestalteten Bereichen zukommt. Der Außentitel nimmt mit seiner Diorama-Abbildung aus der neugestalteten Naturkundeabteilung des Luckauer Museums (siehe dazu den Beitrag von M. Feiler) darauf Bezug.

Foto: C. Blumenstein




Einleitung

Nach SOLGER (1910a,b) entstanden die Norddeutschen Binnendünen durch Ostwinde, die als Fallwinde am Rande des Inlandeises zu verstehen sind. Es bildeten sich nach dieser "Ostwindtheorie" im norddeutschen Raum echte Wüstenformen der Dünen, die Barchane, heraus, die sich mit ihren Bogenöffnungen den dünenbildenden Winden abkehrten. Von Ostwinden gebildete Barchane und weitere Wüstenformen sind im Land Brandenburg allerdings bisher nicht nachgewiesen (DE BOER, 1992a).


Die "Ostwindtheorie" SOLGERS wurde durch die "Westwindtheorie" von verschiedenen Autoren (u. a. LEMBKE, 1939; POSER, 1950 und LIEDTKE, 1957/58) bestritten. Zahlreiche Belege liegen nach dieser Theorie dafür vor, daß Binnendünen in Norddeutschland von Winden aus dem westlichen Sektor gebildet und/oder umgestaltet wurden. Allerdings stützen sich diese Belege bisher nur auf morphographische (Dünenformen) und stratigraphische (Schichtungsmessungen) Erscheinungen. Eine modernere Methode wie die Methode der Längsachseneinregelungsmessung an länglichen Quarzkörnern nach SCHWAN (1989) wurde erst 1991 an Dünen in Brandenburg erprobt von DE BOER (1992b) und in diesem Artikel beschrieben.


Liefermaterial und -gebiete

Das Liefermaterial kann aus Sander und Urstromtälern, aus den übersandeten oder sandigen Grundmoränenflächen, aus dem sandreichen Altmoränengebiet (beispielsweise dem Fläming), oder aus den entkalkten Geschiebemergelflächen stammen. Deshalb kann die Herkunft des Materials nur etwas über die Paläowindrichtung(en) aussagen, wenn das Liefergebiet genau festzustellen ist. In der Praxis ist das sehr schwer.


Dünenbildende Winde: Richtung

Viele Dünen in Brandenburg sind von Winden aus westlicher Richtung aufgeweht worden. Dafür sprechen mehrere Gründe. Zunächst zeigen Querschnitte durch die östlichen Enden vieler Dünen ein Einfallen nach Osten. Ferner sind oft kleine Bogendünen in die nach Westen offenen Bögen größerer Bogendünen hineingeweht worden. Außerdem beobachtet man, daß in diesen nach Westen offenen Teilen einer Bogendüne Ausblasungswannen liegen, die mehrere Meter tief sein können. Auch die Böschungswinkel der Bogendünen weisen auf Westwinde hin. Die Osthänge haben Hangneigungen bis 34̊, während in Westhanglage im Durchschnitt Werte zwischen 18̊ - 25̊ gemessen werden (LIEDTKE, 1957/58). Im allgemeinen sind die Außenböschungen die steileren. Das ist immer bei den Nordschweifen einer Bogendüne der Fall; dagegen sind die Hänge der Südschweife flacher (8̊ - 13̊). Nicht immer ist deren Nordhang der steilere. LOUIS (1928) hat daraus den Schluß gezogen, daß die großen Bogendünen nach ihrer Entstehung durch West-Nordwestwinde anschließend von Südwest-Westwinden überformt wurden.


Luv- und Lee-Effekte auf Mikro- und Mesoniveau

Wenn der Wind es einmal geschafft hat, den Sand auf die flache Seite einer Düne hinaufzubewegen, rollen die losen Körner danach vom Scheitel hangabwärts und erzeugen dabei eine schwache Schichtung, weil entsprechend der gerade herrschenden Windgeschwindigkeit einmal etwas gröberes, einmal etwas feineres Material bewegt wird. Durch diesen Prozeß wandern die Dünen. Sie konnten weit auf angrenzende Moränenhochflächen hinaufgeweht werden. Auch können relativ mächtige Sandpakete an der Leeseite von einmal festgelegten (Alt-)Dünen abgelagert werden (DE BOER, 1992b).

Auf Mesoniveau sind luvseitige Hindernisdünen oder Vorstaudünen und leeseitige Hindernisdünen oder Leeseitenbildungen vornehmlich an den Luv- bzw. Leeseiten der großen Grundmoränenplatten und Endmoränenzüge in Brandenburg zu beobachten. Die Luvseiten sind, in Brandenburg, meistens die Westseiten.


Längsachseneinregelungsmessungen


"Steine und Körner zeigen unter gewissen Voraussetzungen die Neigung, sich durch ihr Transportmedium in eine bestimmte Achsenstellung bringen zu lassen und in dieser Stellung zu verharren. Die Voraussetzungen dazu sind jedoch nicht immer gegeben, so daß ein klar erkennbares Maximum der Längsachseneinregelung oft erst durch umfangreiche Ermittlungen festzustellen ist, die Zahl der eingemessenen Stücke oder Körner also hoch sein muß. Bei Steinen soll sie keinesfalls unter 100 liegen, bei Mineralen bedeutend höher. Über die Ausrichtung bei äolischem Transport liegen erst wenig Erfahrungen vor" (KÖSTER, 1964, S. 199). SCHWAN hat 1989 versucht, diese Forschungslücke zu verkleinern und nahm als Richtzahl 300 Quarzkörner pro Probe. SCHWAN benutzte bei seinen Forschungen Dünnschliffproben, die parallel zur Schichtung entnommen wurden. Vom Verfasser wurden horizontale schichtparallele Beprobungen vorgenommen. Die untersuchten Proben zeigen makroskopisch eine mehr oder weniger (teilweise schwache) horizontale Parallelschichtung (im Vertikalprofil), so daß die eigenen Dünnschliffproben auch parallel zur Schichtung orientiert sind.




Die Messungen unter dem Mikroskop mit der "rotation method" mit der SCHWAN (1989) arbeitete, sind sehr zeitaufwendig, da optisch sowohl eine Längsachse ausgemacht, das Länge/Breite-Verhältnis pro Korn optisch geschätzt und die Orientierung optisch festgestellt werden muß. Die Nachteile sind durch den Einsatz des Cambridge-Quantimet-970-Gerätes zu vermeiden. Dieses Gerät, eine Art von Bildverarbeitungssystem mit Rechner, wird an ein (Zeiss-)Mikroskop angeschlossen. Das Quantimet-Gerät ist in der Lage, verschiedene, vorher eingegebene Parameter, wie Länge, Breite, Länge/Breite-Verhältnis, Größe (Fläche) und Orientierung gleichzeitig pro (Mikroskop-)Bildfläche zu messen oder zu berechnen.

Die statistische Auswertung der Messungen ergab, daß die NNO-SSW-, die ONO-WSW- und die SSO-NNW-Richtungen in den Proben - alle aus weichselspätglazialen Substraten entnommen - vorherrschen (siehe Abbildung). Es ist deshalb zu vermuten, daß die wichtigsten dünenbildende Winde im Baruther Urstromtal im Weichselspätglazial Winde aus den westlichen und südlichen Quadranten gewesen sind, wobei Südsüdwestwinde und Westsüdwestwinde vorgeherrscht haben dürften. Daß diese Windrichtungen sehr wahrscheinlich auch für das Holozän angenommen werden können, wird aus den äußeren Formen der holozänen Dünen und holozänen Überwehungen ersichtlich.


Relevanz für weitere Wissenschaftsdisziplinen

Die Feststellungen zur Paläowindrichtungen haben Bedeutung für verschiedene Anwendungsbereiche. So ist die Verbreitung von Pollen und Sporen einer Vegetation u. a. abhängig von der Windstärke und der Windrichtung. Die ist von Bedeutung für die Interpretation der Pollenspektren. Die Orientierung von länglichen, prähistorischen Häusern ist oft parallel zur Paläowindrichtung, so daß der Eingang an der Leeseite des Hauses zu finden ist.


Literatur

Boer, Wierd Mathijs de: Form und Verbreitung der Dünen im Gebiet zwischen Luckenwalde und Golßen (Niederlausitz) - In: Biologische Studien. - Luckau 21, 1992a, S. 5 - 9.

Boer, Wierd Mathijs de: Äolische Prozesse und Landschaftsformen im mittleren Baruther Urstromtal seit dem Hochglazial der Weichselkaltzeit. Berlin, Humboldt-Universität, Fachbereich 21 - Geographie, Diss. A., 1992b, 144 S. + Anhang.

Boer, Wierd Mathijs de: Äolische Prozesse und Landschaftsformen im mittleren Baruther Urstromtal seit dem Hochglazial der Weichselkaltzeit. - In: Berliner Geographische Arbeiten. Berlin, Humboldt-Universität, Fachbereich 21 - Geographie, Heft 84, 1995, 215 S. (with an english summary).

Köster, Erhard: Granulometrische und morphometrische Meßmethoden en Mineralkörnern, Steinen und sonstigen Stoffen. - Stuttgart, 1964, 336 S.

Lembke, Herbert: Das Alter der norddeutschen Binnendünen. - In: Deutsche Geographische Blätter. - Bremen 42(1939)1/4. - S. 87 - 96.

Liedtke, Herbert: Einige Beobachtungen an norddeutschen Dünen. - In: Wissenschaftliche Zeitschrift der Humboldt-Universität. - Berlin, Math.-nat. Reihe VII(1957/58)4. - S. 445 - 448.

Louis, Herbert: Die Form der norddeutschen Bogendünen. - In: Zeitschr. für Geom. - Berlin und Stuttgart 4(1928/29). - S. 7 - 32.

Poser, Hans: Zur Rekonstruktion der Spätglazialen Luftdruckverhältnisse in Mittel- und Westeuropa auf Grund der Vorzeitlichen Binnendünen. - In: Erdkunde. - Bonn 4 (1950)1/2. - S. 81 – 88.

Schwan, Jacques: Grain fabrics of natural and experimental low-angle aeolian sand deposits. - In: Geologie en Mijnbouw. - Haarlem, 68(1989). - S. 211 – 219.

Solger, Friedrich: Studien über nordostdeutsche Inlanddünen. - In: Forschung zur Deutschen Landes- und Volkskunde. - Stuttgart 19(1910a). - S. 1 – 90.

Solger, Friedrich: Die norddeutschen Inlanddünen. - In: Solger, Friedrich; Graebner, P.; Thienemann, J.; Speiser, P.; Schulze, F.: Dünenbuch. Werden und Wandern der Dünen, Pflanzen- und Tierleben auf den Dünen, Dünenbau. - Stuttgart, 1910b. - S. 157 – 182.

32 W.M. de Boer (1996): Paläowindrichtungen in Brandenburg...